Ich habe mich des Öfteren gefragt, warum der Mensch stets nach Weiterentwicklung strebt. Warum sind wir nicht zufrieden mit dem, was wir haben? Warum reicht es uns nicht, Flugzeuge gebaut zu haben, warum müssen wir unbedingt zum Mars fliegen? – Es hängt mit einem ganz bestimmten Gefühl zusammen, das wir Menschen schon immer anstrebt haben.
Der evolutionäre (An)Trieb
Ein Mensch beginnt, noch bevor er das Licht der Welt erblickt, zu lernen. Er lernt auf seine Umwelt zu reagieren, sie zu verstehen und nachzuahmen. In den ersten Jahren unseres Daseins lernen wir so intensiv, wie in keinem Lebensabschnitt danach. Alles ist neu und interessant, wird ausführlichst untersucht und hinterfragt. Mit der Zeit erkennen wir Muster, ordnen ein, selektieren und priorisieren. Wir werden Erwachsen. Doch unsere Entwicklung hört nicht auf, wenn wir Erwachsen werden. Wir lernen ein Leben lang.
Dank seiner Neugier entwickelte der Mensch sich in den letzten Jahrtausenden rasant. Ausprobieren und Nachmachen waren die Grundbausteine, Verknüpfung und Reflexion die Voraussetzungen für Weiterentwicklung. Und es geht immer noch weiter. Es scheint wohl ein äußerst dominantes Gen zu geben, welches uns zu stetiger Weiterentwicklung antreibt…
Ich finde es äußerst faszinierend, wie zum Beispiel Marie Curie dank ihrer Neugier nicht nur gesellschaftliche Normen von damals auf den Kopf stellte, sondern auch die Frau wurde, die maßgeblich die Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität vorangetrieben hatte. Trotz des Bewusstseins, dass diese radioaktiven Teilchen auch durch ihren Körper wandern könnten, machte sie weiter. Das Arbeiten, Suchen und Erforschen der radioaktiven Stoffe faszinierte sie so sehr, dass sie kaum etwas anderes brauchte um glücklich zu sein (außer vielleicht ihren Mann, der genauso vernarrt in dieses Thema war wie sie).
Doch der innere (An)Trieb zur Weiterentwicklung kann nicht alleiniger Grund dafür sein, dass wir Menschen immer wieder Neues ausprobieren, entdecken, voranbringen oder experimentieren. Denn der Antrieb allein hätte vermutlich früher oder später zu Frust und zum Aufgeben geführt, für den Fall, dass die Dinge nicht so laufen wie geplant. Denkt mal an die ersten Flugversuche der beiden französischen Brüder Launoa und Biénvenue, die 1784 einen der ersten Modellhubschrauber bauten. Die ersten Versuchspersonen zogen sich schwerste Verletzungen zu, andere starben dabei und doch hinderte es die Menschen nicht daran, es weiter zu versuchen. Aber warum ist das so?
Glückseligkeit
Kennt ihr den Film mit Will Smith Das Streben nach Glück? Ich liebe diesen Film. Es ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Lange wusste ich nicht, warum ich den Film so sehr mag. Zugegeben, beim ersten Mal stiegen mir die Tränen hoch und ich konnte einfach nicht mehr aufhören zu heulen. Nach dem dritten Mal kamen mir aber ein paar Gedanken, die erst Jahre danach für mich schlüssig wurden. Ich liebe diesen Film deshalb so sehr, weil er ein paar meiner Grundwerte widerspiegelt. In meinem täglichen Bestreben, heute ein Stück besser zu sein als gestern, steckt nicht nur das Grundmotiv der Weiterentwicklung. Es steckt auch der Wunsch nach einem bestimmten Gefühl, das man hat, während man versucht ein Stückchen besser zu werden. Besser im täglichen Beruf, besser in der Rolle als Mutter, eine bessere Partnerin, Freundin, Hausfrau oder was auch immer. Es ist ein äußerst glücklich machendes Gefühl, mein Bestes zu geben, ein besserer Mensch zu werden. So erkannte ich auch folgende Motive, die im oben genannten Film ein wichtige Rolle spielten:
- auf ein Ziel hinarbeiten
- das Handeln hat einen bestimmten Sinn
- man lebt für etwas, was mehr ist, als man selbst
- das Gefühl anzustreben, es selbst in der Hand zu haben
- die Aussicht auf ein Gefühl des Glücklichseins, wenn das Ziel erreicht ist und man sich weiterentwickelt hat
- Tag für Tag sich die Frage beantworten zu können, WARUM man etwas tut
Hier liegt in meinen Augen der Kern dessen, warum wir trotz aller Niederschläge dennoch die Weiterentwicklung anstreben, warum wir geradezu danach lechzen: wir lieben dieses Gefühl, glücklich zu sein.
Mit dem Glück verwechselt
Im Alltag verwechseln wir manchmal das Verb „glücklich sein“ vom Nomen „Glück “ zu haben. Wir denken, wenn wir erst mal ein Auto, ein Haus, einen Garten, Hund oder sonstwas haben, im Lotto gewinnen oder die geniale Arbeitsstelle ergattern, dann werden wir glücklich sein. Das ist aber nicht der Kern dessen, der es wirklich ausmacht, um sich tatsächlich glücklich zu fühlen. Denn wirklich glücklich fühle ich mich zum Beispiel, wenn ich für Andere da bin, etwas mit Anderen erschaffe und stetig an mir arbeite und mich weiterentwickeln kann. Jeden Tag strebe ich diese Ziele an und fühle mich glücklich in dem, was ich tue. Im Gegensatz dazu steht der Begriff des Glücks, welcher annimmt, dass mir das „Glück“ von außen zuteil wird. Ich entdecke einen 10 € Schein auf dem Fußweg und habe Glück. In diesem Moment fühle ich mich glücklich. Ähnlich glücklich fühle ich mich, wenn ich unverhofft plötzlich eine Gehaltserhöhung erhalte. In dem Moment fühle ich mich unglaublich glücklich, doch spätestens nach 6 Monaten ist der Effekt verpufft. Diese glücklichen Momente sind viel zu kurz, um mich dauerhaft glücklich zu machen, und doch liebe ich das Gefühl glücklich zu sein, wenn ich mir eine tolle Jeans gekauft habe. Zu dumm nur, dass auch dieser glücklich machende Effekt nur allzu schnell wieder verpufft, so dass ich schon bald wieder Ausschau halte, nach einer neuen Jeans 😜
In der Hoffnung, das große Glück zu finden, heiraten wir zum Beispiel auch. Doch nach den ersten wunderbaren Jahren stellt sich auch in der Liebe ein gewisser Alltag ein und wir sehnen uns zurück zu den Momenten, wo wir dachten, richtig Glück mit dem Partner gehabt zu haben. Dabei kann das Gefühl des glücklich seins Tag für Tag erlebt werden, wenn wir uns bewusst machen, dass das Wort „Lieben“ ein Verb ist. Es ist kein Moment, der gleich wieder verschwindet, es ist vielmehr eine Geisteshaltung, dass das, was man jeden Tag aufs neue tut, liebt.
Auf das große Glück zu hoffen, wird uns demnach nicht glücklich machen, auch nicht dann, wenn wir Glück erleben. Doch wenn wir es schaffen, jeden Tag die Dinge zu tun, die wir lieben, dann erhöht sich unsere Chance um ein Vielfaches, wahrhaftig glücklich zu sein.